ANTÓNIO RAMALHO

ANTÓNIO RAMALHO

Ein Interview von Maria Manuela Restivo, gekürzt und übersetzt aus dem Portugiesischen von Isabel Hartwig. Das Original findet sich unter: https://www.artepopularportuguesa.org/antonio-ramalho/

Fotografien © Arte Popular Portuguesa de Ana a Zé

António Ramalho wurde 1969 in Barcelos geboren. Er ist der Sohn von Júlia Ramalho, der Urenkel von Rosa Ramalho, und spielte schon als Kind mit Ton. Er wurde in eine der bekanntesten Familien der figurativen Keramik hineingeboren, und so verwundert es nicht, dass man das Erbe seiner Urgroßmutter und seiner Mutter in seinen eigenen Figuren spürt. Er verwendet ihre Elemente und Motive oder löst sich bewusst von ihnen, um seinen eigenen Weg zu gehen. 2004 begann António, sich ausschließlich der figurativen Keramik zu widmen und seiner Mutter bei der Produktion zu helfen, er setzte aber auch schon eigene Entwürfe um. Wichtige Merkmale seiner Arbeit sind die Experimente mit grünen Glasuren sowie fantastische Motive und bizarre Kreaturen, mit denen er die typische Volkskunst sprengt. [...]

Erinnern Sie sich an das erste Mal, als Sie mit Ton gearbeitet haben? An das erste Stück?

Ich erinnere mich nicht genau an das erste Stück, aber an die Arbeit mit Ton. Ich arbeitete gemeinsam mit meiner Urgroßmutter; sie hatte eine Vorliebe für kleine Pferde und solche Dinge. Und es kam ein spanischer Herr, der sich mein Stück aussuchte.

Und wie alt waren Sie?

Nun, sie starb 1977, und das war im Jahr 76 oder 75. Ich muss also sechs, sieben Jahre alt gewesen sein.

Sie waren damals noch sehr klein.

Ja. Manchmal haben wir Spielzeuge aus Ton hergestellt und mit ihnen gespielt. Wir haben Straßen und kleine Lastwagen gebaut. Bis ich wegging.

Wann haben Sie beschlossen, sich ausschließlich der Keramik zu widmen? Hatten Sie vorher noch andere Jobs?

Es ist so: Ich bin in die Schule gegangen … und schon während dieser Zeit habe ich meiner Mutter geholfen. Nachdem ich beschlossen hatte, die Schule zu beenden, widmete ich mich ganz der Keramik.

Wie alt waren Sie?

Sechzehn.

Und dann haben Sie gesagt: Ich werde nur noch das machen?

Ja. Dann gab es drei Phasen … Es gab zwei relativ kurze Phasen, in denen ich ausgewandert bin. Das erste Mal war ich in Frankreich. Sechs Monate. In … mal sehen, ob ich mich erinnern kann. Nein, das erste Mal war ich 89 in England, zwischen August und Dezember. Im Jahr 1990 war ich in Frankreich, zwischen Mai und Oktober.

Warum sind Sie weggegangen? Hat Ihnen die figurative Kunst nicht gereicht?

Nein, dabei ging es eher um ein Abenteuer [lacht].

Was hat Sie am meisten beeinflusst, als Sie mit der Produktion eigener Stücke begonnen haben?

Als ich anfing, meiner Mutter zu helfen, habe ich nicht besonders schnell dazugelernt. Meine Brüder machten sich über mich lustig, weil ich, wenn es sein musste, einen ganzen Nachmittag damit verbrachte, ein einzelnes Stück zu produzieren. „Hey, du hast doch nur ein Stück geschafft!“ Dann habe ich angefangen, Erfahrungen zu sammeln, und je mehr man dazulernt, desto mehr produziert man. Man wird immer besser, man hat neue Ideen … Aber am Anfang habe ich meine Stücke nicht einmal signiert – was ich produziert habe, wurde von meiner Mutter signiert.

Um welche Art von Objekten handelte es sich? Wie kamen Sie auf sie?

Die ersten Sachen, die ich gemacht habe, waren kleine Tiere, Wikinger – zu der Zeit gab es „Wickie“ [lacht]. All dieses Zeug. Zeichentrickfilme haben am Ende immer einen gewissen Einfluss. Und so habe ich mit solchen Dingen herumgespielt.

Als Sie dann anfingen, Ihre eigenen Formen zu entwickeln – wurden Sie dabei beeinflusst? Ich weiß nicht, ob Sie irgendwie recherchiert haben, in Büchern oder so …

Nein, in Büchern eher nicht. Ich mache es so: Ich nehme ein leeres Blatt Papier und fertige ein paar Skizzen an. Und manchmal bringt mich das auf Ideen. Ich denke: So werde ich es machen. Und damit ich das nicht vergesse, mache ich ein paar Skizzen. Und selbst wenn ich sie nicht sofort umsetze, behalte ich die Zeichnung, damit ich es nicht vergesse.

Wie gehen Sie mit den Einflüssen von Júlia und Rosa Ramalho in Ihrer Arbeit um?

António Ramalho ~ Ich versuche, die Einflüsse nicht zu verlieren, sie aber auch ein wenig zu erneuern, indem ich Dinge anders mache. Aber die Grundlage ist zweifellos das, was von ihnen kommt; sowohl von der einen als auch von der anderen.

Júlia Ramalho ~ Ich werde ein bisschen darauf eingehen. Wenn er zum Beispiel zur FIL [Internationale Handwerksmesse in Lissabon] geht, sollte er den Heiligen Antonius, den Heiligen Petrus und den Heiligen Johannes mitnehmen, so wie es auch meine Großmutter tat. Er antwortet dann seinen Kund*innen, was er bereits sagte: „Ich möchte die Tradition meiner Großmutter nicht verlieren, aber ich werde neue Dinge erschaffen.“ Ist das nicht eine gute Antwort? Er sagt, er wolle nicht das tun, was seine Großmutter getan hat. […] Aber er wird nicht nur von den Tiermotiven leben! Wenn er Heiligenfiguren macht wie ich, kann er sagen: „Das ist die Tradition meiner Mutter und Großmutter.“ Ich mache immer noch die Ziegen, die Carrôchos [Fabelwesen] … Ich wurde auch schon gefragt: „Warum machst du deine Großmutter nach?“ Und ich sagte: „Ich kopiere nicht meine Großmutter, ich führe die Tradition meiner Großmutter fort.“

AR ~ Genau das habe ich auch gesagt.

„Pedaços d’Avó“ [Stücke der Großmutter], eine Kreation von António Ramalho, vereint drei ikonische Werke seiner Urgroßmutter Rosa Ramalho: den Teufelskopf, Christus und die Ziege.

Zum kreativen Prozess: Wissen Sie von Anfang an, was Sie formen werden, oder entwickelt sich das Stück von selbst?

Manchmal hat man eine Idee, aber wenn man das Stück fertigstellt, ist es ganz anders, als man es sich vorgestellt hat.

Welches ist Ihr Lieblingsstück?

Mein Lieblingsstück ist „Pedaços d‘Avó“. Und „Bicéfalo“ [zweiköpfiges Wesen]. Grundsätzlich mag ich sie alle; es gibt kein einziges, das ich nicht mag.

Was ist mit den Glasuren?

Die Hauptfarbe ist Honigbraun.

Gibt es einen Grund, warum Sie auch grüne Glasur für Ihre Stücke verwenden?

Schon meine Urgroßmutter benutzte Braun, Grün und Gelb. Die braune Glasur ist das Markenzeichen meiner Mutter, sonst könnte niemand mehr unsere Stücke unterscheiden.

„Bicéfalo“ mit grüner Glasur

 […]

Wie sieht Ihr Alltag aus, arbeiten Sie jeden Tag nach dem gleichen Schema?

Wenn es mehr zu tun gibt, arbeiten wir manchmal sogar mehr, als wir sollten. Aber Handwerker*innen haben nie einen festen Zeitplan. Es gibt Tage, an denen man einfach keine Lust hat, an denen man keine Inspiration hat …

Beeinflussen die Jahreszeiten Ihre Arbeit?

JR ~ Wir arbeiten viel in der Vorweihnachtszeit, weil wir in dieser Zeit am meisten verkaufen.

Gibt es unter den anderen figurativen Künstler*innen jemanden, den Sie besonders mögen?

Ich mag [Joaquim Ferreira] Esteves sehr, der Karikaturen macht und originelle Ideen hat. Sein Geist folgt nicht den Ideen anderer. Natürlich gibt es Themen, die schon öfters bearbeitet wurden, aber er ist sehr originell. Und ich mag João Lourenço. Er ist auch sehr originell. Er beherrscht mehrere Bereiche: die Glasurtechnik, die Töpferscheibe … Er kann und erforscht vieles.

Gibt es noch jemanden, der heraussticht?

AR ~ Was die Leute angeht, die malen … Ich finde sie alle identisch, sehr ähnlich.

JR ~ Sie kopieren …

AR ~ Nein, sie kopieren nicht. Jeder macht es auf seine eigene Weise, aber sie sind sich sehr ähnlich.

[…]

Als was betrachten Sie Ihre Kunst, wenn es keine "populäre Kunst" ist?

Wie Zé Carlos [Inhaber der Galerie Cruzes Canhoto in Porto] sagt, ist es wahrscheinlich Art Brut. Ich mag es, ein wenig mit dem Primitiven zu arbeiten … Manchmal übertreibt man es mit den Details, und die sind es nicht wert. Wenn man sich die Werke meiner Urgroßmutter ansieht, sind sie sehr schlicht. Aber es hat alles, was es braucht, das einzelne Stück hat alles. Ausdruck, Bewegung … es ist alles da.

[…]

Hier können einige Stücke von António Ramalho online bestellt werden.

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